Endlich ist es soweit… bereits vor 2 Jahren hatte ich mich für den TCS Amsterdam Marathon angemeldet, also für die Halbmarathonstrecke. Damals kam Corona in die Quere und das Jahr darauf war es noch zu unsicher. Jetzt aber ist es fix und ich bin mit von der Partie. Leider jedoch weit weg von einer Bestform oder einer entsprechenden Vorbereitung, doch dazu mehr im folgenden Blogartikel.
Die Reise nach Amsterdam beginnt
Die Vorfreude ist groß, ungefähr 5 Monate sind bereits vergangen seit meinem letzten Rennen. Und jetzt steht noch dazu so ein großer Halbmarathon in einer richtig tollen Stadt am Programm. Flug und Hotel hatten wir schon vor über einem halben Jahr gebucht. Am Freitag dem 14. Oktober 2022 geht der Flug zuerst von Innsbruck nach Frankfurt und dann weiter nach Amsterdam. Ein tolles Erlebnis wieder mal zu fliegen nach so einer langer Zeit und mit etwas Verspätung sind wir am späten Nachmittag im Hotel angekommen. Wenn ich von wir rede meine ich meine Frau Anja und 2 weitere Freunde die mit uns geflogen sind. Der Lauf sollte ja natürlich auch als längeres Wochenende und Citytrip genutzt werden 😀
Von Vorbereitung kann man wohl nicht reden
Wer meine letzten Blogartikel verfolgt hat weiß wie es mir die letzten Monate ergangen ist und warum ich so lange bei keinem Laufwettbewerb mit dabei war. Von Krankheit zu Verletzung und dann wieder weiter zu Krankheit. Eine mehr als nur durchwachsene Saison mit leider mit Tiefen als Höhen. Ein absoluter Schlag ins Gesicht für mich war dann noch Corona, nur 2,5 Wochen vor dem Amsterdam Halbmarathon 2022. Da ich mich zum Glück relativ schnell wieder erholt habe war es möglich beim Halbmarathon an den Start zu gehen.
Natürlich ohne allzu große Erwartungen oder viel Druck da von Anfang an klar war das unter diesen Umständen wohl keine neue Bestzeit möglich sein wird. Das Erlebnis, die Kulisse und ein genialer Zieleinlauf im Olympiastadion in Amsterdam sollten diesmal im Vordergrund stehen.
Erstmals ankommen und Stadt erkunden
Wenn man schon einmal in eine so tolle Stadt kommt muss man sich auch ansehen 🙂 So geht es nach der Ankunft im Hotel schnell ins Zimmer um die Koffer abzulegen und dann direkt zu den Öffis um ins Zentrum zu kommen. Dort gibt es unzählige Sehenswürdigkeiten, Köstlichkeiten und vieles mehr. Immer wieder ein Erlebnis wenn man aus einem kleinen Dorf in eine große Stadt kommt. Die vielen Menschen, die Individualität, die Vielfältigkeit. Am Abend suchen wir uns dann ein feines Restaurant und ich esse mein Lieblingsessen – Pizza Margherita 😀 Das perfekte Pre-Race Meal oder nicht? Ach nein, ist ja noch ein Tag dazwischen bis zum Halbmarathon. Am späten Abend im Hotel steige ich noch für 9 Kilometer auf das Laufband* um mir die Beine zu vertreten und falle gleich müde ins Bett.
Laufen durch den Rembrandtpark
Am Morgen vor dem großen Amsterdam Halbmarathon geht es früh raus aus den Federn um einen kurzen letzten Lauf mit ein paar Steigerungen zu absolvieren. Es ist noch relativ dunkel um 7 Uhr früh und ich laufe durch den schön beleuchteten Rembrandtpark. Es kommen mir bereits einige Radfahrer und auch Läufer entgegen. Eine tolle Begegnung ist der Kontakt mit zwei afrikanischen Läufern die ganz leichtfüssig durch den Park laufen. Da ich natürlich neugierig bin laufe ich hinter ihnen her. In der Dunkelheit kann ich nicht erkennen wer genau es war, erkenne nur die Nike-Jacken* und die Aufschrift INEO 1:59. Leichtigkeit, Eleganz, pure Energie – da kommt man sich dagegen vor wie ein Elefant. Bei jeder Gelegenheit nutzen sie die Wiesen aus und laufen über das Gras und meiden den Asphalt. Nach 1,5 km trennen sich unsere Wege und ich laufe meine gesamten 8 Kilometer fertig.
Startnummer abholen – Marathon Expo
Wie üblich bei großen Marathons muss man im Vorfeld seine Startnummer abholen. So ist es auch hier in Amsterdam. Direkt neben dem Olympiastadion findet die Marathon Expo in den Sporthallen Zuid statt. Dort kann man seine Startnummer abholen und jede Menge tolle Läuferstände begutachten, sich einkleiden und weitere Utensilien erwerben. Oh shit! Ich habe keinen Akku mehr für meine Uhr und das Ladekabel hatte ich vergessen. Vielleicht habe ich hier eine Chance. Gut das es mir noch einfällt. Zuerst bewundern wir die tolle Kulisse rund um das Stadion und dann wird zuerst die Startnummer abgeholt – 20165. Mal schauen ob das meine Glücksnummer wird?
Wir kämpfen uns durch die Menschenmassen, unglaublich wie viele Läufer hier anwesend sind. Alle mit einem Lächeln im Gesicht, jeder begeistert von Schuhen, Shirts und mehr. Sie machen Fotos, umarmen sich und sind voller Vorfreude auf den morgigen Tag. Da finden wir einen Polar-Verkaufsstand. Ich frage ob es vielleicht die Möglichkeit ein Ladekabel zu kaufen gibt da ich meines vergessen habe. Leider gibt es das nicht aber warte mal meinte der nette Herr. Dann bringt er mir ein Ladekabel und möchte nicht einmal Geld dafür nehmen – ist ein Geschenk meinte er. Wow, vielen Dank an dieser Stelle an Polar*, mega Service.
Bei Incylence Socken* kommen wir nicht vorbei. Anja und ich sind total angetan von diesen tollen Laufsocken und schlagen gleich zu. Für Anja gibt es ein schwarzes Paar mit tollen Farbakzenten, für mich ein weißen mit den passenden Farben zu den Schuhen die ich morgen tragen werde, den Nike Varporfly Next% 2. Danach geht es noch den ganzen Tag durch die Stadt und am Abend noch gut Essen und dann ins Hotel ausschlafen um morgen fit zu sein.
Der große Tag ist gekommen
Etwas kurz aber gut habe ich geschlafen. Anders als der TCS Marathon selbst wird der Halbmarathon erst um 13:00 Uhr und nicht gleich um 9:00 Uhr früh gestartet. So habe ich am morgen mehr Zeit und es ist nicht so stressig zum Start zu kommen. Also noch in aller Ruhe zum Frühstück im Hotel, ein paar Weißbrote mit Honig und Marmelade essen, umziehen und dann geht es los Richtung Olympiastadion. Da einige Linien der öffentlichen Verkehrsmittel gesperrt sind wir die Anreise ein wenig schwieriger, doch wir erreichen früh genug den Startbereich.
Auch der Start ist nicht im Olympiastadion so wie der volle Marathon, sondern etwas versetzt am Stadionweg. Die Spannung steigt, überall wo man hinsieht nur Läufer und Menschenmengen, jeder schreibt seine eigene Geschichte, hat seine eigenen Routinen vor dem Start und seine ganz individuellen Ziele. Ich mache mich auf Richtung Startblock und beginne mit dem Warm-Up. Es sind schon viele Läufer dort die ebenfalls mit dem Aufwärmen beschäftigt sind. Noch 40 Minuten bis zum Start.
Es geht los...
Bei über 15.000 Startern die beim Halbmarathon mit dabei sind kann man sich vorstellen, dass es etwas eng zugeht. Da ich im ersten Startblock untergebracht bin bekommt man davon aber nur beim Hinweg etwas mit. Die große „Masse“ an Menschen ist in den weiteren Startblöcken angesiedelt. So bekomme ich vom Rest gar nicht so viel mit. Man merkt wie auch die Anspannung bei den anderen Läufern langsam steigt und sie beginnen sich aufzustellen. Noch 5 Minuten bis zum Start.
Ziel sollte es sein den Halbmarathon etwas verhaltener anzugehen und wenn ich mich gut fühle zu steigern. Geplant war ein Tempo um die 4:10 min/km. Noch 1 Minute bis zum Start. Es wird eng im Startbereich da alle schon loslaufen wollen und dann fällt der Startschuss. Es dauert gut 30 Sekunden bis ich über die Startlinie laufe. Wie immer bei so einem großen Event gilt es schnell sein Tempo zu finden, sich nicht zu sehr von den anderen Mitläufern ablenken und lassen und nicht unnötig überholen durch schnelle Manöver.
Ich will es nicht wahrhaben!
Das Adrenalin schießt durch meinen Körper, ich fühle mich wie elektrisiert und laufe leichtfüßig durch die Straßen von Amsterdam. Es kommt mir so „langsam“ vor und finde noch nicht recht eine Gruppe mit der ich mitlaufen könnte. Da läuft eine Dame vor mir, sollte ich da mitlaufen. Oder mit dem da vorne? Ja der sieht gut aus und das Tempo ist passend. Der erste Kilometer ist passiert, 3:55 min/km. Schon etwas schnell. Oder nicht? Weiter zu Kilometer 2 mit 4:03 min, km 3 mit 3:53 min und km 4 mit 3:58 min. Auf der Strecke stehen so viele Menschen, alle mit bester Laune, sie feuern an was das Zeug hält, Musik am Straßenrand, ein einziges Fest.
Ich überquere die 5 Kilometer Marke in einer Zeit von 20:17 Minuten, doch ein Stück schneller als geplant. Ob das gut geht?
Es wird immer schwerer
An der ersten Verpflegungsstelle bei 5 Kilometer laufe ich vorbei ohne etwas zu nehmen. Langsam merke ich aber wie mein Körper immer mehr angestrengt ist von dem Tempo. Das Training in den Beinen fehlt und die Energie lässt schon jetzt nach. Gezwungenermaßen fange ich an etwas Tempo rauszunehmen. Das hätte ich wohl schon früher machen sollen. Von Kilometer zu Kilometer wird es schwerer das Tempo zu halten, meine Beine werden schwer und das Atmen ist auch alles anderer als geschmeidig. Ich verliere an Boden. Schlimmer ist jedoch das mein Kopf sagt er will nicht mehr…
Ich passiere die 10 Kilometer Marke in einer Zeit von 41:42 Minuten. Eigentlich perfekt. Das sind genau 4:10 min/km. Aber die zweite Hälfte wird jetzt wohl schwieriger werden. Und zwar richtig schwierig. Wären nicht so viele andere Läufer gewesen und Zuschauer die einen pushen wäre ich wohl stehen geblieben 🙂 Es fühlte sich an als würde die Zeit nur im halben Tempo vergehen, die Kilometer waren unendlich lange. Ich kämpfe weiter bis Kilometer 15 wo ich in einer Zeit von 1:02:55 durchgehe. Doch von da Weg haben mich die Kräfte verlassen.
Aufgeben ist keine Option– das Ziel wartet!
Der innere Dialog beginnt. Bleib endlich stehen, lauf nicht mehr weiter, der Körper kann nicht mehr. Jeder Schritt fällt mir schwer, es fehlen die langen Läufe, die regelmäßigen Wochenkilometer, einfach das komplette Training. Ich bin der Verzweiflung nahe und muss dem schnellen Anfangstempo Tribut zollen. Aber ich kämpfe mich weiter durch. An zwei Stellen kann ich leider überhaupt nicht mehr und muss ein paar Meter gehen. So etwas ist mir in einem Wettkampf noch nie passiert. Doch ich finde zum Glück wieder zurück in einen Rhythmus.
Dann werde ich von den Pacemakern mit den 1:30 h Fahnen überholt, ca. bei Kilometer 19. Ich versuche dran zu bleiben doch merke schnell, dass es nicht mehr möglich ist. So laufe ich mein eigenes Tempo und visualisiere bereits das Olympiastadion vor meinen Augen. Nur noch 1 Kilometer steht auf dem Schild, jetzt heißt es nochmals alle Kräfte mobilisieren. Schon bald geht es dann um die letzte Kurve und hinein in das Olympiastadion von Amsterdam. Eine unglaubliche Kulisse, voll mit Zuschauern und einem atemberaubenden Lärm. Davon getragen kann ich nochmals etwas beschleunigen und ein paar andere Läufer einholen. Die letzten 100m bis ins Ziel sind die wohl emotionalsten die ich bisher erlebt habe. Ich genieße es und freue mich innerlich, auch wenn ich es aufgrund der Anstrengung nicht zeigen kann. Da bleibt der verbissene Läufer in mir im Vordergrund. Das Ziel passiere ich in einer Nettozeit von 1:31:49 Stunden und nehme voller Freude meine Finishermedaille entgegen.
Zusammenfassung vom Amsterdam Halbmarathon 2022
Klar, man will alles geben, man will Leistung abrufen und immer wieder eine neue Bestzeit laufen. Doch es gibt Situationen da geht es um andere Dinge im Leben. Da braucht es etwas Abstand um es zu realisieren. Ein paar Tage nach dem Lauf blicke ich jetzt mit anderen Augen darauf. Natürlich wollte ich gerne schneller laufen, aber es war einfach nicht möglich. Nicht mit dieser Vorgeschichte. Ich nehme jedoch unglaublich viele positive Dinge von diesem Halbmarathon mit.
Ein Marathon bzw. Halbmarathon in einer so tolle Stadt, mit so vielen Zuschauern, einer so gewaltige Stimmung und einem phänomenalen Zieleinlauf im Olympiastadion ist ein Erlebnis, dass man nicht so leicht in Worte fassen kann. Das muss man einfach selbst erleben. Klar es war ein Kampf, es war sogar sehr schwer doch auch das gehört dazu. Man fällt hin und steht wieder auf, stärker als man das letzte Mal war. Und genau das werde ich tun. Ich nehme diesen Lauf als ein sehr positives Erlebnis mit und bin unglaublich froh dabei gewesen zu sein.
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Auch wenn unter diesen Umständen keine neue Bestzeit möglich war, bin ich stolz auf mich und meine Leistung. Es war der bisher schönste Halbmarathon für mich mit dem emotionalsten Zieleinlauf in meiner Karriere. Ich nehme die positive Energie mit und versuche daraus Kraft zu schöpfen.
Patrick Pöschl von Endspurt Laufcoaching
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